Bei Husten, Kopfschmerzen oder einem Knochenbruch geht man zum Arzt – das scheint für jeden klar. Doch dass man nicht nur bei körperliche Beschwerden ärztliche Hilfe braucht, ist in unserer Gesellschaft weniger anerkannt. Dabei sollte es mindestens genauso selbstverständlich sein, dass man bei psychischen Beschwerden eine*n Psychotherapeut*in aufsucht. Im Folgenden erwartet Euch ein Interview mit einer Psychotherapeut*in, in dem sie Euch ihre Arbeit und Motivation dahinter vorstellt.
Können Sie sich und Ihren Beruf kurz vorstellen?
„Mein Name ist Suzana Djukic-Jelic, ich bin niedergelassene ärztliche Psychotherapeutin in einer Praxis in Stuttgart. Ich biete Einzel-und Gruppentherapien mit tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Behandlung an. Das sind die zwei von der Krankenkasse anerkannte Methoden. Bei der Tiefenpsychologie sucht man konfliktorientiert nach Gründen in der Vergangenheit und vor allem Kindheit für Probleme, die man jetzt hat. Die Verhaltenstherapie bezeichnet die Analyse der konkreten Situation, um dann das Verhalten und Denken zu ändern.
Weil viele die verschiedenen „Psycho-Fächer“ oft verwechselt werden, ist es mir ein Anliegen, diese kurz zu erklären. Es gibt verschiedene Berufsgruppen: Psychiater zum Beispiel studieren Medizin, machen dann eine Weiterbildung, um hauptsächlich Psychosen schwerpunktmäßig medikamentös zu behandeln. Psychotherapeuten, die mehr Gesprächstherapie betreiben, kann man dagegen in zwei Gruppen unterteilen: ärztliche und psychologische Psychotherapeuten. Der größte Unterschied liegt hierbei im Grundstudium, die einen studieren Medizin, die anderen Psychologie.“
Wie sind Sie zu Ihrem jetzigen Beruf gekommen?
„Seit meiner Jugend war für mich klar, dass ich mich beruflich mit der menschlichen Psyche beschäftigen möchte. Nur der Weg dahin war mir nicht klar. Ich habe mich schlussendlich dafür entschieden, Medizin zu studieren, weil mir das einen umfassenden und vollständigen Blick auf den Menschen ermöglichte.
Nach dem Studium begann dann meine Weiterbildung für psychosomatische und psychotherapeutische Medizin, wobei ich Bausteine an vielen verschiedenen Kliniken deutschlandweit belegt habe. Dabei musste ich auch viel Selbsterfahrung sammeln.“
Was meinen Sie mit Selbsterfahrung?
„Um Patienten behandeln zu können, muss man erstmal seine eigenen Konflikte kennen. Sonst besteht die Gefahr, dass man diese auf die Patienten projiziert. Mit Selbsterfahrung meine ich also, die eigene Psyche aufzuräumen, um sich selbst und die Patienten zu schützen.“
Es ist das Wechselspiel zwischen Körper, Seele und Geist, das mich fasziniert.
Warum haben Sie sich für den Facharzt für Psychotherapie entschieden?
„In diesem Bereich kann ich Menschen psychisch mithilfe von Gesprächen und körperlich durch Medikamente helfen. Es ist das Wechselspiel zwischen Körper, Seele und Geist, das mich fasziniert.“
Wie sieht Ihr typischer Alltag aus?
„Ich behandle überwiegend Einzelpatienten, eine Sitzung dauert 50 Minuten und dann habe ich noch 10 Minuten zwischen den Patienten Zeit zum Dokumentieren und Reflektieren. Am Ende des Tages finden dann Grupppentherapien statt, weil da die Meisten Zeit haben.
Abends und am Wochenende habe ich dann noch Fortbildungen und Supervision. Bei der Supervision trifft man sich mit Kollegen und bespricht schwierige Fälle und Therapien. Ich habe eine 50-60-Stundenwoche, also ziemlich viel zu tun, aber als Selbstständiger hat man die Möglichkeit, sich das selbst einzuteilen. Wenn ich wollte, könnte ich also weniger machen. Die Arbeit macht mir aber so viel Spaß, dass ich das gar nicht will.“
Was ist das Schwerste an Ihrem Beruf?
„Die Abgrenzung, da man sehr tiefgründige Beziehungen mit den Patienten eingeht. Man muss aufpassen, die kritische Distanz zu behalten, um den Patienten besser helfen zu können, aber auch um sich selbst zu schützen. Dabei ist es sehr wichtig, seine eigene Psyche zu pflegen, um die Leichtigkeit nicht zu verlieren. Man ist sehr stark mit der Schwere des Lebens konfrontiert, mit negativen Erfahrungen und muss deshalb immer daran arbeiten, den positiven Blick nicht zu verlieren.“
Können Sie das denn? Abends einfach eine Schublade zumachen?
„Ja, ich denke durch die räumliche Distanz zwischen Praxis und Wohnort gelingt mir das besser. Gleich nach der Arbeit lenke ich mich durch Sport, Musik oder Gartenarbeit ab, um nach der tiefen geistlichen Arbeit wieder in meinem Leben anzukommen.“
Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
„Definitiv mit Menschen zu arbeiten und ihnen helfen zu können, sich nicht selbst im Wege zu stehen. Sie bringen einem ein großes Vertrauen entgegen, damit man sie tiefgründig kennenlernen kann. Für mich ist das eine große Ehre. Außerdem erfahre ich durch die Vielfalt meiner Patienten, von 18-80 Jahre alt, aus allen möglichen Berufsgruppen, Nationalitäten und sozialen Schichten, eine Art Querschnitt der Gesellschaft. Ich sehe also, wie unterschiedliche Menschen verschiedene gesellschaftliche Problemen, wie zum Beispiel die Pandemie, erleben und bewältigen.“
Was würden Sie denen raten, die sich eine Zukunft im psychotherapeutischen Beruf vorstellen können?
„Fähigkeiten, die man für den Beruf mitbringen sollte, sind vor allem Empathie, analytisches Denken, emotionale Belastbarkeit und Abgrenzungsfähigkeit. In der Schule können Fächer wie Biologie und Chemie, sowie auch geisteswissenschaftliche Fächer für das psychologische Verständnis wichtig sein. Außerdem sollte einem bewusst sein, dass der Weg zum Psychotherapeuten lang ist. Um Psychotherapeut zu werden, muss man erstmal fünf bis sechs Jahre lang das Grundstudium meistern, um dann noch eine Weiterbildung von mindestens fünf Jahren zu absolvieren. Wenn man das aber geschafft hat, erwartet einen ein anerkannter Beruf der viel Sinnenhaftes in sich trägt. Man hilft anderen Menschen und macht gleichzeitig auch viel für die eigene Psyche.“
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