Die Welt steht still – Flugzeuge bleiben am Boden, Menschen bleiben zuhause, Wildtiere erobern ihre alten Heimaten zurück. Unsere jetzige Situation könnte ein Nullpunkt sein, ein Start für eine radikale Veränderung, die KlimaaktivistInnen schon seit Jahren fordern: Corona als Neuanfang für mehr Nachhaltigkeit. Welche Chancen bringt die Pandemie für eine umweltbewusstere Welt?

Was jetzt anders ist

Statt in den Ferien über den Atlantik zu fliegen, verbrachten die meisten Menschen Weihnachten und Silvester in ihrem eigenen Heim. Keine langen Fahrten, weniger großes Weihnachtsshopping. Dieses veränderte Verhalten spiegelt sich auch in den CO2-Emissionen wieder: Nach dem Forschungsnetzwerk „Global Carbon Project“ sank der CO2-Ausstoß im Bereich Verkehr weltweit um ganze 22 Prozent (Quelle: tagesschau.de). Hierbei spielt nicht nur der Rückgang von Freizeitreisen und Tourismus eine Rolle. Auch Geschäftsreisen werden mehr und mehr durch Videokonferenzen ersetzt. Was anfangs aus der Not entstand, erscheint dabei vielen Unternehmen attraktiver als der Ausgangszustand. Immer mehr Firmen erstellen Konzepte, wie sie dauerhaft auf Homeoffice und Videokonferenzen setzen können. Die Digitalisierung ist im vollen Lauf.

Es könnte also auf den ersten Blick nicht besser sein. Doch bei genauerem Betrachten der Fakten sollte jedem auffallen, dass es sich hierbei um einen zeitlich begrenzten Ausnahmezustand handelt. Zwar gingen die Emissionen dieses Jahr rekordverdächtig zurück, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen wieder genauso schnell nach oben schnellen. Deshalb muss die Politik jetzt überlegen, wie sie die Ausnahmesituation für eine zukünftige Umweltpolitik optimal nutzen kann. Dabei steht sie vor vielen Herausforderungen.

Es fängt im Kleinen an

Studien zeigen, dass Menschen 3 Monate brauchen, um Routinen zu verändern. So kann es sein, dass sich Einige angewöhnt haben, lieber mit dem Auto als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und dies auch nach der Pandemie weiterhin machen. Hinzu kommt, dass die ÖVPN unter den Lockdown-Maßnahmen leiden und einen immer schlechteren Ruf genießen. Es müssten attraktivere Bus- und Bahnangebote für die Kunden her, damit diese wieder Grund haben statt mit dem Auto, mit dem Bus zu fahren.

Auch in sozialen Aspekten steht die Umweltpolitik vor einer großen Aufgabe. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, Ungleichheiten wurden noch sichtbarer. Im Optimalfall sollte die Umweltpolitik also auch soziale Gerechtigkeit fördern. Zu wie viel Veränderung werden die Menschen nach der Krise bereit sein? Wie verträglich ist die Umweltpolitik mit der neuen sozialen Situation? Komplexe Fragen, denen viel Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

Punkte, aus denen wir für die Zukunft lernen können

Es gibt aber auch Aspekte, aus denen wir lernen können. Bei der Verkündung von neuen Maßnahmen und damit verbundenen Einschnitten ins Privatleben stellten neben PolitikerInnen, VirologInnen als ExpertInnen häufig nochmal die wichtigsten Erkenntnisse und Fakten vor. Damit wurde die wissenschaftliche Basis der neuen Regeln verständlich erläutert. Diese klare Kommunikation bewirkte ein besseres Verständnis und eine höhere Akzeptanz für politische Entscheidungen. Über Nacht mussten Menschen ihren Alltag komplett umkrempeln – und sie akzeptierten es. So könnten KlimaforscherInnen zukünftig eine ähnliche Position einnehmen, um eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen.

Ebenso hat sich während der Krise das allgemeine politische Interesse verstärkt – eben weil neue Regelungen für jeden Einzelnen direkt spürbar wurden. Diese aktivere politische Teilnahme sollte fortgeführt und für das Vorstellen neuer Konzepte und Ideen zum Klimaschutz genutzt werden. Der One-Health-Ansatz zum Beispiel sieht die menschliche Gesundheit eng mit Umwelt und Tier verknüpft und setzt voraus, dass die verschiedenen Disziplinen enger zusammenarbeiten. Dadurch soll verhindert werden, dass gefährliche Erreger zwischen Menschen und Tieren übertragen werden – so wie es vermutlich bei Corona der Fall war. Bisher ist dieses Konzept eher unbekannt, aber es ist wahrscheinlich, dass die Bevölkerung zurzeit empfänglicher als sonst für solche Theorien ist, besonders wenn sie noch Bezug zur momentanen Situation haben. Auch wenn die Pandemie den Klimaschutz vor einige neue Herausforderungen stellt, ist sie auch eine große Chance für die Umweltpolitik. Die neu gewonnene Sensibilität der Bürger für politische Fragen und die Beschleunigung der Digitalisierung sind nur zwei der vielen Beispiele dafür. Nicht umsonst sagt man „Krisen sind oft die Momente, in denen der Grundstein für eine bessere Zukunft gelegt wird“ (Quelle: fu-berlin.de). Vielleicht regt die ruhigere Zeit auch den Einen oder Anderen zum Nachdenken an: Muss ich zur Arbeit wirklich mit dem Auto fahren? Ist die zweite Übersee-Reise wirklich notwendig? Neue umweltbewusstere Gewohnheiten könnten auch nach der Pandemie beibehalten werden. Denn am Ende des Tages liegt die Entscheidung darin, ob Klimaschutz wirklich zu einer Priorität und damit erfolgreich wird, bei jedem Einzelnen

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