Gemeinsamer Religionsunterricht? Drei Meinungen aus drei Religionen

Gemeinsamer Religionsunterricht? Drei Meinungen aus drei Religionen

Seit der Grundschule wird das Fach Religion unterrichtet – damit begleitet es uns Schüler*innen fast so lange wie die Hauptfächer Mathe und Deutsch. Ebenso lange verbringen wir Zeit in konfessionell getrennten Religionsgruppen. Die katholisch getauften kommen in die eine, die evangelisch getauften in die andere Gruppe. Und die Anderen? Für die gibt es das Fach Ethik als „Ersatz“. Doch ist diese strikte Trennung in einer Gesellschaft, in der doch alle Religionen zusammen leben sollten überhaupt sinnvoll? Oder sollte konfessionell getrennter Religionsunterricht abgeschafft werden? 

Wir haben dazu drei Religionslehrerinnen unserer Schule nach ihrer Meinung gefragt.

Frau Baude-Schneck, katholischer Religionsunterricht

„Danke für eure Nachfrage. Sie zeigt, dass ihr euch dafür interessiert, wie Reli unterrichtet wird. Ich möchte eure Frage mit einem klaren „ja“ beantworten. Für mich wäre es wünschenswert, wenn wir die unterschiedlichen christlichen Konfessionen im Unterricht nicht länger trennen. 

Die Unterschiede sind in den meisten Themenfeldern gering. Nur bei manchen Themen gibt es etwas unterschiedliche Schwerpunkte. Dies könnte aber zu einem guten Dialog führen, wenn man an diesen Stellen die Eigenart verschiedener Konfessionen erklärt und bespricht. Ein solch lebendiger Austausch bringt mehr, als wenn man hinter verschlossenen Türen nur die eigene konfessionelle Lebenswelt vermittelt bekommt. 

Mein Wunsch wäre, dass Lehrer*innen der unterschiedlichen Konfessionen abwechselnd in den Klassen unterrichten, evtl. halbjahresweise. So sieht es auch das offizielle Modell des „konfessionell-kooperativen“ Religionsunterrichtes vor. Um das zu verwirklichen sind allerdings einige organisatorische Hürden zu überwinden.“

Frau Wagner, evangelischer Religionsunterricht

„Also erstmal glaube ich: der konfessionell getrennte RU wird abgeschafft werden. Seit ich am GiPS unterrichte – seit 2006 – hat sich die Gruppenzusammensetzung in der Reli-/Ethikschiene massiv verändert: In den ersten Jahren gab es durch alle Klassenstufen zwei Evangelische Gruppen, eine Katholische und eine Ethikgruppe. Letztere wurde immer größer, die Religruppen immer kleiner – einfach durch veränderte Zusammensetzung in der Schüler*innenschar – dann kam der Islamische Reliunterricht – Gottseidank! – dazu. 

Insgesamt bin ich ein großer Fan von Religionsunterricht überhaupt – nicht, weil es mein Job ist – sondern weil ich einen aufgeklärten Zugang und mündigen Umgang mit der eigenen Religiosität gerade in der heutigen Zeit für sehr wichtig halte.

​Nur wenn ich meine eigene Weltanschauung kenne und nicht absolut setzen muss, kann ich echt ins Gespräch und in tiefgreifende Auseinandersetzung mit anderen Weltanschauungen eintreten – und Vielfalt als Bereicherung erleben – und Fundamentalismus abwehren.

Ich stehe jeder Form der Kooperation unter den Gruppen sehr offen gegenüber, das praktizieren wir am GiPS ja auch schon lange und gerne. Ich hätte eigentlich nichts gegen eine gemeinsame christliche Religruppe – wenn ich sie unterrichte … 😉 Im Ernst: Ich würde sicher gehen wollen, dass die Kirchen, die den RU ja gemeinsam mit dem Land verantworten, gleichberechtigt miteinander umgehen – damit tut sich nicht jede Kirche gleich leicht – das ist für mich klar Grundbedingung!

D.h. dass unterschiedlichste Lehrmeinungen im Unterricht  Platz und Gehör bekommen und aufs Kritischste von Schüler*innen hinterfragt werden dürfen – das ist gute typisch Evangelische Tradition – allein dem eigenen Gewissen verpflichtet.“

Frau Binici, islamischer Religionsunterricht

„Unsere Gesellschaft ist religiös plural – es gibt Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und unterschiedlichen Glaubens und auch Menschen, die nicht religiös sind. Durch die konfessionelle Trennung in der Schule spaltet man die Klassengemeinschaft und fördert – so die Kritik – ein Denken in Gruppen, was zu einer fehlenden Empathie für andere Weltanschauungen führen kann. Das ist eine legitime Kritik. Denn für die Bildung von Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt und das interreligiöse Lernen ist es auch wichtig, dass Begegnungen geschaffen werden. In der Klassengemeinschaft, die konfessionsübergreifend ist, kann man sich über religiöse Einstellungen austauschen und dadurch auch die eigene religiöse Haltung reflektieren. 

Allerdings braucht es auch den Raum bzw. den Austausch im konfessionellen Rahmen, um die Vielfalt der Meinungen in der eigenen Konfession kennenzulernen, sich tiefgründiger mit theologischen Sachverhalten auseinander zu setzen, um dann auch sprachfähiger in der Klassengemeinschaft zu werden. 

Deswegen wünsche ich mir einen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht. Das wäre ein Religionsunterricht, bei dem man einerseits phasenweise konfessionell getrennt und andererseits wieder phasenweise in der Klassengemeinschaft konfessionsübergreifend arbeitet. So kann man die Vorteile von beiden Modellen verbinden. Z.B. könnte das so aussehen, wie der interreligiöse Lernzirkel der Klassenstufe 7 in den letzten Schuljahren bei uns am GiPS. Die Religions- und Ethiklehrkräfte haben im Teamteaching einen Lernzirkel erstellt, bei dem die Schüler*innen in konfessionsübergreifenden Gruppenarbeiten die abrahamitischen Religionen kennengelernt und sich ausgetauscht haben. Die Reflexion und Vertiefung erfolgte anschließend in den jeweiligen Fachgruppen.“

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